Hier finden Sie ein ausführliches Interview mit einem ehemaligen Mitarbeiter von Höhm. Dieses habe ich im August 2018 geführt.

Gerhard Arens begann mit 15 Jahren im Jahre 1950 seine Lehre bei Höhm in Letmathe (inzwischen ein Stadtteil von Iserlohn). Nach dreieinhalb Jahren hat er hier seine Prüfung abgelegt. Anschließend arbeitete er noch etwa ein halbes Jahr bei Höhm bevor er die Firma verließ.

Zitat: Als ich da angefangen habe zu arbeiten ist mir abends immer so ein Chassis durch den Kopf gegangen. Wie das aussehen soll, ob ich alles richtig gemacht habe und und und. Wenn nachher so ein Teil auf der Holzkiste war, dann hat man sich gesagt: Hör mal, da hast du auch was gearbeitet.

F: Herr Arens, warum haben Sie ihre Lehre ausgerechnet bei Höhm gemacht? Wie sind Sie darauf gekommen?

A: Man musste ja froh sein, wenn man eine Stelle bekam. Mein Papa sagte immer: Du wirst Bierbrauer! Ich sagte: Das werde ich nicht, kein Stück! Dann ergab sich das so, dass ich bei Höhm anfangen konnte. Da hab ich mich bei dem alten Emil Höhm vorgestellt. Das Büro war direkt vor der Werkstatt. Da sagt er: Junge, komm mal rein. Hast du denn Interesse daran? Gehen wir gleich mal zusammen schauen. Dann hat er mir die Werkstatt gezeigt. Ja, sagt er, kommst du mit dem Papa nochmal wieder, dann machen wir einen Lehrvertrag. Dann habe ich, als ich mit der Schule fertig war dort angefangen und meine Lehre gemacht.

F: Wo befand sich die Firma Höhm in Letmathe?

A: Direkt vorm Bahnhof – zum Bahnhof zugewandt war die Einfahrt der Firma Höhm. Links daneben war ein Kiosk. Das Gebäude wurde von der Höhm von 1934 bis etwa 1952 genutzt. 1934 hatte es dort als Autowerkstatt begonnen. Später war das Motorrad-Center Betz drin, dann zogen nach einem Umbau Familien rein.

F: Ihre Ausbildung ging dreieinhalb Jahre, also bis 1953. Wie ging es für Sie weiter?

A: Dann bin ich noch ein gutes halbes Jahr bei Höhm geblieben, danach konnte ich bei der Firma Vieler anfangen. Das ist auch hier in Iserlohn.

F: Warum sind Sie nicht länger bei Höhm geblieben?

A: Es wurde nachher ein bißchen kriminell, als wir umgezogen sind (Anm.: ab 1952 Oestrich). Dann war es auch wegen dem Verdienst.

F: Was haben Sie dann bei Höhm verdient?

A: Für eine Überstunde gab es 1,02 DM. Deshalb haben wir Überstunden gekloppt bis zum umfallen.

F: Wie war denn die Auftragslage?

A: Die war nicht mehr so, wir sind ja umgezogen. Und der alte Höhm, der hatte das alles noch im Griff gehabt. Dann kam die Tochter dazwischen. Die lief nur nebenbei mit. Und der Senior, der zweite Emil war auch nicht schlecht, aber es ging immer drunter und drüber, und es lief eben einfach nicht mehr so ganz.

F: Was heißt, es lief nicht mehr so ganz?

A: Die Aufträge waren nicht mehr so stark wie früher, nachdem wir nach Oestrich umgezogen waren in das neue Gebäude.

F: Was war der Grund?

A: Das weiß ich nicht mehr. Ich hatte dann keinen Kontakt zu den Mitarbeitern mehr, weil ich ja auch aus der Firma ganz raus war. Dann kam erst mal für mich Sport. Ich habe im Verein Fußball gespielt, das Thema Höhm interessierte mich auch nicht mehr. Aber mit einigen Mitarbeitern hatte ich doch weiterhin noch Kontakt.

F: Was war denn Emil Höhm für ein Mensch?

A: Sein Hobby war die Fliegerei. Zu uns war er wie ein Vater. Wir durften bloß keinen Quatsch machen. Wenn was ans Modell kam, was irgendwie nicht richtig war, dann konnte er auch böse werden. Aber sonst, wenn er kam nahm er das Ding in die Hand, schaute es sich an und sagte: Ja, Junge mach weiter so. Als Mensch war er wirklich gut.

F: Wie entstanden die EH-Auto-Modelle?

A: Ich weiß noch, wie der alte Höhm bei uns in die Werkstatt reinkam und sagte: Junge, komm mal her. Den Rahmen musst du jetzt ganz von vorne bis hinten schleifen. Ich sagte: Wie soll ich das denn machen? Seine Antwort: Mit Schmiergelpapier und allem Drum und Dran. Da bekam ich einen extra Raum und musste die Rahmen schleifen, bis sie blitzeblank waren. Die wurden ja als Rohlinge angeliefert. Dann haben wir das alles zusammengebaut. Erst kam der Rahmen, dann die Hinterachse und die Vorderachse, danach die Lenkung. Die restlichen Einzelteile kamen so nach und nach.

F: Das Modell war sozusagen das erste Produkt der Firma Höhm und davon hat man zum Beispiel die Lenkung als seperates Modell abgeleitet?

A: Genau. Ich habe angefangen, als das Auto-Modell rausgekommen ist. Da war es schon im Aufbau. Dann kamen nachher der Viertaktmotor, der Zweitaktmotor und der Diesel.

F: Es heißt, dass es die Auto-Modelle sogar schon vor dem Krieg gab?

A: Das kann ich nicht sagen, vor dem Krieg weiß ich nicht.

F: Um nochmals auf das Abschleifen des Rahmens zu kommen: War das am Anfang ihre einzige Aufgabe?

A: Ja, wenn ich morgens kam musste ich jeden Rahmen und jedes Teil schleifen. Ich war der Jüngste und deshalb musste ich das machen. Später bekam ich auch andere Aufgaben, bei denen ich eingearbeitet wurde.

F: Wo kamen die Rohlinge der Rahmen her? Wurden die in Letmathe hergestellt?

A: Ja, Höhm hatte da eine Firma, die haben die Rahmen gegossen und die Schlusslichter. Das wurde hier in Letmathe gemacht. Und was an Dreharbeiten nötig war, das haben wir dann bei Höhm gemacht. Auch die Felgen wurden als Rohlinge angeliefert und die wurden dann von uns geschliffen.

F: Wie sah ein Rohling der Felge aus?

A: Ein rundes Ding mit einer Einbuchtung, auf die die Reifen draufkamen. Es wurde aber noch von uns der Sitz der Achse reingefräst und auch die Struktur. Es musste auch noch ein Gewinde geschnitten werden und so weiter. Der Herr Höhm hatte da eine extra Firma, die die Rohlinge gemacht hat. Wo in Letmathe, weiß ich nicht. Zu der Zeit gab es auch nur die Alu-Felgen, noch keine Bakelitfelgen

F: Das Getriebe wurde auch gegossen?

A: Ja, das wurde extern gegossen und von uns bearbeitet.

F: Wie war der Bau eines Modells von Anfang bis Ende?

A: Erst der Rahmen, dann kam das Getriebe und dann wurde der Motor gemacht. Einer von uns hat das dann zusammengesetzt. Wir mussten ja manchmal auch noch mithelfen, ob wir jetzt Gewinde bohren mussten oder Gewinde schneiden. Der letzte Schliff war bei Herbert Tigges, da war noch eine große Bank, dann war es fertig, und er hat es abgenommen zum großen Teil. Wenn das Chassis fertig war und die Teile vorher schon gestrichen waren, wurde es zusammengebaut und kam auf den Holzkasten.

F: Wo wurden die Holzkästen hergestellt?

A: Die wurden von der Firma Plass hergestellt.

F: Das Auto-Modell hat ja auch einen Motor. Was hat es mit dem auf sich?

A: Der Motorblock war früher ein ganzes Stück Alu. Da konnte man nicht sehen, dass die Kolben hoch und runter gingen. Zum Geburtstag bekam der alte Emil dann von uns den Plexiglasmotor geschenkt, oder besser präsentiert. Der Motorblock kam raus, ich sehe es noch vor mir: Da stand der Motorblock aus Plexiglas als gegossenes Stück auf der Feilbank. Herr Tieges (Anm.: Mitarbeiter) hat sich den angeschaut und ist weggegangen. Er ist dann wiedergekommen: Ja, sagt er, der alte Höhm will den aus Plexiglas haben, damit man durchschauen kann, wie alles funktioniert. So ist der Plexiglasmotor entstanden in der Zeit, in der ich da war – fertig war er etwa 1952 oder 1953.

F: Die Planungen dafür haben aber schon früher festgestanden?

A: Ja, natürlich. Das fertige Plexiglasmotor-Modell, das hatte Emil Höhm schon lange im Kopf. So will ich das machen, so will ich das haben, sagte er. Das hat er sich vor Augen geführt, dass er es so gemacht hat. Der Plexiglasmotor war nachher sein Schmuckstück. Als der Prototyp gebaut werden sollte, ist das dann im Büro mit dem Herbert Tigges (Anm.: Mitarbeiter) besprochen worden. Wie gesagt, der hat ihn schließlich auch gebaut. Dann hat Herr Höhm den fertigen Motor zum Geburtstag sozusagen geschenkt bekommen. Mit Herbert Tigges konnte ich ganz gut. Wenn ich was nicht wusste, sagte er: Komm her, ich helfe dir dabei, das musst du so und so machen.

F: Wurden die Modelle auch auf Messen präsentiert?

A: Emil Höhm ist damit zumindest einmal auf der Messe gewesen. Da musste das Modell richtig schön fix und fertig gemacht werden. Aber was daran gemacht wurde, das weiß ich nicht. Wo die Messe war, das weiß ich auch nicht mehr.

F: Jetzt reden wir ja die ganze Zeit von Emil Höhm Senior – was war mit dem Junior?

A: Emil Höhm Junior kam zu dieser Zeit auch schon rein in die Firma, aber war nicht so sehr beteiligt. Ich weiß nicht, was er vorher noch gemacht hat. Er kam erst später mit rein, er hatte zuvor irgendwas studiert. Er kam zwischendurch mal immer schauen. Aber so genau kenne ich die Rolle von Emil Höhm Junior nicht.

F: Wie lief das mit dem Verkauf der Modelle?

A: Wir haben einen Vertreter gehabt in Hannover (Anm.: Degener). Er kam auch mal in die Firma und so haben wir ihn von weitem kennengelernt. Er ging mit dem alten Höhm da durch und sie haben geredet – was, das hat ja keiner mitbekommen. Dann auf einmal kriegten wir den Auftrag: Schließlich brauchten wir bloß zu packen und die Kisten über die Straße zum Bahnhof bringen. Je ein Modell kam in eine Holzkiste, wurde gepackt mit Papier und allem Drum und Dran, da durfte nix drankommen. So wurden sie eben mit der Bahn von Letmathe nach Hannover zu Degener geschickt.

F: Die Rahmen wurden damals von Hand gestrichen?

A: Ja, die wurden gestrichen. Da hatten wir extra unsere drei Mitarbeiterinnen dafür. Die hatten einen extra Raum, welcher sich außerhalb vom Hauptgebäude am Bahnhof befand. Es gehörte aber noch zum Bahnhofsgelände. Der alte Höhm hatte das angemietet. Da hatten wir einen großen Raum, in dem die Modelle einzeln angestrichen wurden. Farbenmäßig, wie es sein sollte. Die Frauen bekamen die Modelle und mussten sie fertig machen.

F: Stichwort Farben: Es gab ja verschiedene Farben, konnte der Kunde sich die aussuchen?

A: Ja, der Kunde wurde gefragt, was es denn sein soll. Wie es aber genau abgelaufen ist, das weiß ich nicht.

F: Welche Farben gab es denn?

A: Das kam drauf an, was der Kunde haben wollte. Die gängigste Farbe war immer noch rot. Allerdings muss ich sagen: Die Endabfertigung war ja bei den Frauen da unten. Deshalb weiß ich es nicht so genau.

F: Wieviele Modelle wurden denn gebaut?

A: Wenn der Höhm sagte, drei bis vier Modelle muss er diese Woche haben, dann waren die fertig.

F: Das heißt, das war auch die Stückzahl?

A: Ja, drei bis vier Modelle pro Woche.

F: Die Modelle waren ja auch extrem teuer, 800 DM?

A: Ja, viel Geld zu der Zeit. Ich wollte mir immer so ein Modell mitnehmen, hab ich aber nicht geschafft. Höhm hat gesagt: Nee Junge, kann ich dir nicht geben, geht nicht. Ich: Wie ist es mit dem Viertaktmotor, der Rohling? Höhm hat geantwortet: Nein, wir machen keine Reklame.

F: Wie waren eigentlich Ihre Arbeitszeiten?

A: Angefangen haben wir um 6 Uhr, Feierabend war um 14 Uhr. Da ging aber keiner nach Hause. Dann haben wir Überstunden gekloppt und waren nochmal vier Stunden in der Werkstatt.

F: Sind auch Kunden vorbeigekommen, um sich die Werkstatt anzuschauen?

A: Das ging alles über Degener in Hannover. Manchmal kam der Degener und brachte einen Kunden mit. Dann gingen die durch die Werkstatt – und der Höhm hat das Modell gezeigt. Die haben abgemacht, wie der Kunde das Modell haben will.

F: Wie sah es mit der Konkurrenz aus? Hat man sich auch mal die VVR-Modelle angeschaut?

A: Kann sein, da kamen auch schon mal Leute, die haben sich alles angeschaut. Dann haben wir erfahren, das war Konkurrenz. Aber dann hab ich nur gehört: Das ist aber für uns keine Konkurrenz, sowas schaffen die nicht.

F: Gab es auch Kunden, die den Alu-Sechszylindermotor später bei Höhm auf den moderneren Plexiglasmotor umbauen lassen wollten?

A: Das kann sein. Herr Höhm wollte ja den Plexiglasmotor an die Kunden verkaufen. Es wurde ja auch teurer und deshalb wurde es auch extra angepriesen: Wollen Sie den Plexiglasmotor oder den Alumotor? Wenn der Kunde sich für den Alumotor entschieden hatte, dann war es 200 bis 300 DM billiger.

F: Wie hat ihnen die Arbeit gefallen?

A: Mir hat die Arbeit gefallen, wenn ich ehrlich bin. Auch mit dem Viertaktmotor und dem Diesel und so weiter: feingeschliffen, damit der freigängig war. Dann kam der hier oben auf den Deckel. Da wurde Gewinde geschnitten, gebohrt, Gewinde geschnitten. Dann kam das Schwungrad und es wurde versucht, ob sich alles dreht, die Kolbenstange, die Pleuelstange und und und.

F: Was haben Sie hier auf dem Bild (Anm.: lag vor) genau gemacht?

A: Da habe ich jetzt den Kolben eingeschliffen, hier im Gehäuse. Erst mal fix und fertig gemacht. Dann habe ich die Kolbenstange genommen und den Kolben hier oben in dem Zylindersitz alles feingeschliffen, damit der freigängig war. Dann kam der hier oben auf den Deckel. Da wurde Gewinde geschnitten, gebohrt, Gewinde geschnitten. Dann kam das Schwungrad und es wurde versucht, ob sich alles dreht, die Kolbenstange, die Pleuelstange und und und. Wenn er nachher noch stand, kam er auf die Kiste hier, der Deckel, und dann kam das da oben drauf.

F: Als Sie Ihrern Führerschein gemacht haben ist ihnen in der Fahrschule sicher ein Höhm-Modell begegnet?

A: Ja, als ich reinkam sagte ich: Ah, ein Höhm-Modell. Ich hab den Fahrlehrer gefragt: Sind sie damit zufrieden? Der Fahrlehrer meinte: Sicher! Dann haben wir uns darüber unterhalten.

F: Wie war dann ihr beruflicher Werdegang ab 1954?

A: Da war ich, wie schon gesagt, erst bei der Firma Vieler, Aluminiumbau. Mit allem, was Sie sich vorstellen können: Garderobenbau, Fensterbau, usw. Da konnte man mehr verdienen. Da war ich aber nicht lange. Irgendwann hab ich bei der Stadt angefangen als Schwimmmeister.

F: Herr Arens, vielen Dank für das Gespräch.